Physiknobelpreis 1912: Nils Gustaf Dalén

Physiknobelpreis 1912: Nils Gustaf Dalén
Physiknobelpreis 1912: Nils Gustaf Dalén
 
Der Schwede wurde ausgezeichnet für »die Erfindung selbstwirkender Regulatoren«, die bei der Beleuchtung von Leuchttürmen und Leuchtbojen Anwendung fanden.
 
 
Nils Gustaf Dalén, * Stenstorp (Schweden) 30. 11. 1869, ✝ Stockholm 9. 12. 1937; Studien an der Technischen Hochschule, Göteborg und dem Eidgenössischen Polytechnikum, Zürich, ab 1906 Chefingenieur der schwedischen Gasakkumulatorengesellschaft, ab 1909 dort leitender Direktor.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Das Befeuern von Leuchttürmen und Leuchtbojen war um die Jahrhundertwende eine wichtige und lebensrettende Aufgabe. Für Länder mit einer langen Küstenlinie wie Schweden war es gleichzeitig eine große technische Herausforderung. Einfache, kostengünstige und möglichst automatisierte Leuchtfeuer mit gesteigerter Leuchtkraft wurden durch die Ausweitung des Schiffsverkehrs notwendig. Dalén gelang es, das bis dahin häufig verwendete Petroleum durch das wesentlich energiereichere Acetylen zu ersetzen. Für seine technische Entwicklung, die eine ungefährliche und sparsame Handhabung des hochexplosiven Gases ermöglichte, wurde er mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
 
 Explosives Acetylen wird zum sicheren Brennstoff
 
Der Kohlenwasserstoff Acetylen (Äthin, Ethin, C2H2) ist ein farb- und geruchloses Gas. Beim Verbrennen in Sauerstoff liefert es ein extrem helles, weißes Licht. Um 1895 war es gelungen, das Gas in kommerziellem Maßstab aus der Reaktion von Calciumcarbid mit Wasser zu gewinnen. Doch die ersten Versuche, Acetylen als Leuchtfeuer einzusetzen, scheiterten am explosionsartigen Zerfall des Moleküls. Das bis dahin verwendete Petroleumgas war unter Druck in großen Eisenbehältern gespeichert worden. Die Versuche mit Acetylen schlugen deshalb fehl, weil das Gas schon bei geringer Druckerhöhung und bei der kleinsten Erschütterung sofort explodierte.
 
Dalén nahm sich 1901 des Problems an und fand auch bald eine überzeugende Lösung. Es war ihm bekannt, dass Aceton große Mengen an Acetylen lösen konnte. Eine solche Flüssigkeit ist nicht explosiv. So kann der Vorratsbehälter zunächst bis zum Rand mit der gesättigten Lösung unter hohem Druck gefüllt werden. Das Volumen reduziert sich aber unweigerlich durch den Verbrauch. Acetylen tritt aus der verbliebenen Flüssigkeit aus und sammelt sich im entstehenden Hohlraum darüber. Die akute Explosionsgefahr ist damit wieder gegeben.
 
Der Ingenieur erkannte die Eignung einer porösen Masse als Speicherstoff. Es handelte sich um die stark absorbierende Diatomeenerde, auch Kieselgur genannt. Er nannte die Erde, vermutlich nach den Schwedischen Gasakkumulatorenwerken (AGA), für die er arbeitete, ebenfalls Aga. Das Aga packte er in schwimmende Stahlbehälter und füllte sie zur Hälfte mit Aceton auf. Unter dem Druck von etwa zehn Atmosphären (106 Pascal) presste er anschließend Acetylen hinein. Auf diese Weise gelang es ihm bei einer Temperatur von 15 Grad Celsius, das 100-fache der bis dahin möglichen Menge an Acetylen in den Behältern zu speichern. Die Container ließen sich ohne Gefahr transportieren. Da das Aga den gesamten Raum ausfüllte, konnten sich bei stetigem Verbrauch keine Blasen mit reinem Acetylengas bilden.
 
 Gaspfeifen mit schnellem Takt
 
Doch das allein brachte noch keinen entscheidenden Fortschritt in der Befeuerung der Leuchttürme. Denn diese wäre sehr teuer gewesen. Außerdem sollten sich die Leuchttürme am Blinkrhythmus unterscheiden lassen. Die gegebenen technischen Lösungen funktionierten mit Acetylen nicht. Wegen der geringen Leuchtkraft brannten die Petroleumfeuer zwischen fünf und sieben Sekunden. Das wesentlich hellere Acetylenfeuer erlaubte sehr viel kürzere und damit Rohstoff sparende Lichtzeichen. Lichtblitze von ein bis drei Zehntelsekunden sollten erreicht werden. Dalén löste auch dieses Problem. Er baute eine Gaspfeife, die sich so schnell und exakt öffnen ließ, dass mit einem Liter Gas mehrere tausend Lichtblitze produziert werden konnten. Dazu konstruierte er einen Zünder mit einer kleinen kontinuierlich brennenden Gasflamme. Das aus der Pfeife ausströmende Gas wurde sofort entzündet. Auf diese Weise ließ sich alle drei Sekunden ein drei Zehntelsekunden langer Blitz erzeugen. Damit nicht genug, entwickelte Dalén 1907 ein durch Sonnenlicht gesteuertes Ventil. Das so genannte Sonnenventil wurde von vier in eine Glasröhre eingeschlossenen Metallstäben gesteuert. Der unterste war geschwärzt, die anderen drei waren vergoldet und hochglanzpoliert. Der schwarze Stab absorbierte das Licht, erwärmte sich und dehnte sich aus. Die Ausdehnungsbewegung schloss die Gaspfeife. Ging der Tag zu Ende, zog der Stab sich wieder zusammen und öffnete die Gaspfeife. Das permanente Flämmchen entzündete sofort das Leuchtfeuer. Der sensible Mechanismus reagierte sogar auf Nebel oder dichte Wolkendecken. Das Gesamtsystem verbrauchte nur sieben Prozent des bis dahin notwendigen Gases. Es war so wartungsarm, dass ein einsamer Leuchtturm oder eine in der Brandung schwimmende Leuchtboje nur einmal im Jahr gewartet werden musste. Das war ein Durchbruch in der Signalgebung. Die Technik fand auf der ganzen Welt Abnehmer. Die sichere Speicherung des Acetylens eröffnete gleichzeitig weitere Anwendungen, unter anderem bei der Eisenbahn zur Beleuchtung der Waggons und als Signalgeber an der Strecke.
 
Das Nobelkomitee argumentierte, dass Dalén mit seinen Gasregulatoren vielen tausend Menschen das Leben gerettet habe. Dalén selbst hätte seines bei der Arbeit beinahe verloren. Als er neue Speicherzylinder für Acetylen testete, kam es zu einem schweren Unfall, bei dem Dalén schwere Verletzungen erlitt und für immer sein Augenlicht verlor. Den Nobelpreis konnte er deswegen nicht selbst entgegennehmen — diese Aufgabe musste sein Bruder Albin, Professor für Augenheilkunde an der Universität Stockholm, übernehmen. Nachdem er sich erholt hatte, setzte Gustaf Dalén seine Forschungsarbeiten mit unverminderter Kraft fort. Trotz der schweren Behinderung wurde er mit der Beleuchtung des Panamakanals beauftragt. Später wandte er sich der thermischen Energie zu. Auch hier erwies er sich als einfallsreicher Konstrukteur. So erfand er einen Universalherd, der 24 Stunden Wärme lieferte und dabei nur acht Pfund Kohle verbrannte.
 
 Ein Mann der Praxis
 
Dalén war ein herausragender Ingenieur. Theoretisch hat er nie gearbeitet. Sein erfinderischer Geist blitzte bereits auf dem väterlichen Hof auf. Als junger Mann konstruierte er eine Dreschmaschine und erfand eine Vorrichtung, den Butterfettgehalt der Milch zu bestimmen. Später als Ingenieur arbeitete er an der Entwicklung einer Heißluftturbine und erfand neben vielem anderen eine Melkmaschine. Dennoch war nicht zu erwarten, dass er einmal mit der höchsten wissenschaftlichen Ehrung ausgezeichnet werden sollte. Mit dem Nobelpreis wurden in der Regel große Physiker oder große Entdeckungen geehrt. Nils Gustaf Dalén war eine der wenigen Ausnahmen. Mit Guglielmo Marconi (Nobelpreis 1909) ist er der einzige reine Ingenieur unter den Preisträgern. Die Gasregler waren für die Schifffahrt von großer praktischer Bedeutung. Die Physik wurde dadurch jedoch nicht vorangebracht.
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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